Roland Holzmayr
Der Weiler Kreut befand sich bis 1961 südlich der Straße von Neuburg nach Oberhausen im heutigen Naturschutzgebiet Kreut.
Eine erste Bedeutung bekam die Gegend um das spätere Kreut in der Römerzeit. Die Donau-Südstraße führte von Augsburg über Burgheim (Parrodunum) kommend hier vorbei nach Neuburg (Venaxamodurum oder doch Summuntorium/Submuntorium ?) und weiter bis Regensburg1. Sie war besonders im 1. und im 4. Jahrhundert nach Chr., als das nördlich der Donau liegende Gebiet bis zum Limes nicht zum römischen Machtbereich gehörte, eine wichtige Verkehrsader.
Abb. 1: Römerstraße westlich von Neuburg (Kartenskizze vor Erbauung der Burgwaldkaserne)²
Auf Höhe des späteren Kreut stand ein spätrömischer Burgus, eine Wachstation, die ständig mit Soldaten belegt war.
Abb. 2: Rekonstruktion des möglichen Aussehens³
Eine erste urkundliche Erwähnung findet Kreut im Pappenheimer Urbar, dem Salbuch der Reichsmarschälle von Pappenheim um 1214. Ein Salbuch ist ein genaues Verzeichnis aller Besitztümer. Dort findet sich der Eintrag
„Gerüt 3 höf 3 lib.“4
„Gerüt“ leitet sich von dem mittelhochdeutschen Wort „geriute“ = Rodung ab. Der Weiler bestand damals schon aus drei Höfen. „lib“ war eine Gewichtseinheit, ein Zählmaß (lateinisch libra oder librum = Pfund) und gab wohl Auskunft über den Ertrag der Höfe, denn davon hingen die Abgaben an den Grundherrn ab.
Das Hochmittelalter von der Mitte des 11. Jahrhunderts bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts war gekennzeichnet durch ein stetiges Bevölkerungswachstum. Weil vorhandene Acker- und Weideflächen nicht mehr ausreichten, wurden Waldstücke gerodet.5 Kreut kann also schon um das Jahr 1050 entstanden sein.
1247 eroberten die Bayern das Gebiet und Kreut fiel mit dem Amt Neuburg an die Wittelsbacher. Im Salbuch des bayerischen Herzog Ludwig des Strengen findet sich um 1280 ein ähnlicher Eintrag zu „Gereut“.6
Abb. 2a: Früheste Darstellung von Kreut. Ausschnitt aus einer Prunkkarte der Grafen von Graisbach 1570.
Über die folgenden Jahrhunderte gibt es kaum Informationen zu Kreut, außer dass es bis 1691 zur Pfarrei St. Peter in Neuburg gehörte, danach zur Pfarrei Wagenhofen, und dass Kreut einmal eine Kapelle hatte, „deren grün glasierte Ziegelplatten auf einem dieser Häuser sich jetzt noch befinden“.6
Erst Steuerbeschreibungen der Jahre 1725 bis 1728 und weitere Quellen zeigen die Verhältnisse in Kreut genauer auf:
„Kreut
Niedergerichtsbarkeit: Hofmark Sinning: 1 Anwesen, Landgericht Neuburg: 2 Anwesen
Steuerverwaltung: Hofmark Sinning: 1 Anwesen, Landvogtamt Neuburg: 2 Anwesen
Pfarrei: Wagenhofen
Hofkastenamt Neuburg: 2 Halbhöfe (858 fl., 975 fl.)7
Hofmark Sinning: 1 Halbhof (350 fl.)
1 Hirtenhaus“8
Ein Verzeichnis von 1818 ergibt:
„Krait, Weiler, 4 Häuser
Ruralgemeinde Oberhausen, Pfarrey Wagenhofen, Steuerdistrikt Unterhausen,Landgericht Neuburg“9
Etwa 1830 kauften protestantische Siedler aus der Pfalz die Kreuter Höfe (auch Krait oder Kreit genannt).13 Sie legten 1842 den Friedhof an. Um 1852 hatte Kreut 16 Seelen.6
Abb. 3: Darstellung von Kreut auf einer Landkarte als „Kraithof“ Auszug aus „Chaussee von Donauwörth nach Regensburg“ von Adrian Riedl 1796 |
Aus den Jahren 1845/46 ist folgender Sachverhalt überliefert:
Die Gutsbesitzer in Kreut Paul Schnell, Adam und Friedrich Gottschall wurden von der Gemeindeverwaltung Oberhausen beim Landgericht Neuburg angezeigt, weil sie die Beiträge zum Schul- und Messnerhausbau und zur Sustentation des Schullehrers nicht mehr bezahlten. Bei der Verhandlung vor dem Landgericht stellte sich heraus, dass die protestantischen Kreuter ihre Kinder bei der katholischen Schule in Oberhausen ausgeschult hatten und diese jetzt die protestantische Schule in Untermaxfeld besuchten. Das Landgericht Neuburg gab der Klage der Gemeinde Oberhausen zunächst statt, aber auf die Beschwerde der Betroffenen hin hob die Königliche Regierung von Schwaben und Neuburg in Augsburg den Beschluss auf und gab den Kreutern recht.10
Ein Verzeichnis von 1875 ergibt:
„Kreut, Weiler
37 Einwohner, 17 Gebäude
zur protetestantischen Pfarrei und Schule Neuburg 4,5 km
zur reformierten Pfarrei Marienheim 8,5 km
zur Post Unterhausen 3,5 km“11
Zwischen 1893 und 1914 wurden sämtliche Anwesen von der Kreidefabrik Schulz & Philipp AG Neuburg und ein Hof von einer englischen Firma erworben.13
Dadurch wurden einige Anwesen wieder von katholischen Pächtern besiedelt. 1922 beantragten daher 19 Einwohner von Kreut und der Beutmühle die Umpfarrung von Wagenhofen nach Oberhausen. Die günstigeren Wegeverhältnisse wurden als Begründung angeführt. Die Umpfarrung wurde am 12. Dez. 1922 rechtskräftig.13
Im Jahre 1893 begann die Firma Schulz & Philipp mit der Ausbeutung der Kieselerdevorkommen bei Kreut14, nach dem 1. Weltkrieg folgte die Firma Hoffmann & Söhne15.
Abb. 7: Kreidegrube südlich Kreut 1924, heute Weiher15 Am 1. Mai 1929 wurde im Haus Nr. 40 eine öffentliche Fernsprechstelle eingerichtet.16 Ab 1943 beschäftigte der Pächter Johann Ballis Fremdarbeiter (displaced persons) als landwirtschaftliche Hilfskräfte. Unter ihnen war ein geschickter und williger Ukrainer(?) mit Vornamen Orest, der Anfang 1944 überraschend durch die Münchner Gestapo verhaftet wurde. |
Später erfuhr Ballis, dass Orest und ein weiterer Fremdarbeiter aus Ergertshausen einen Mordanschlag beabsichtigt und vorbereitet haben sollen. Tatsächlich kam im April 1944 ein Exekutionskommando aus München, das auf der Kuppe am Südrand des Höfelholzes vermutlich ohne Gerichtsurteil zwei Personen erhängte:
Twardowski Orest, geb. 25.12.1919 in Zaturyn (Polen)
Zadan Michael, geb. 20.11.1919 in Chuckla (Ukraine)
beide zum Tode verurteilt und hingerichtet durch den Strang am 5. April 1944 bei Oberhausen.20
Man wollte wohl ein Exempel statuieren, da 20 Fremdarbeiter (Ukrainer und Polen) der nahegelegenen Globus-Werke an der Exekution teilnehmen mussten.10,17
Angeblich wurden die beiden Hingerichteten außerhalb des Kreuter Friedhofes verscharrt, wofür es aber bislang keine konkreten Beweise gibt.
Obiger Vorgang hat zeitlich nichts mit dem im Volksmund sogenannten „Russengrab“ zu tun, das sich noch heute an der Ostseite außerhalb des Kreuter Friedhofes befindet. Dort befindet sich ein Steinkreuz mit einer Steintafel mit folgender Beschriftung:
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Über die Todesursache und weitere Personalien sind keine Angaben vorhanden. Der Michailo Tschadan scheint aber mit dem hingerichteten Michael Zadan identisch zu sein 1945 bat ein Ukrainer, ein gelernter Steinmetz, der vorher lange Zeit bei den Globus-Werken eingesetzt war, aus einem nicht mehr benutzten privaten Grabstein dieses Steinkreuz anfertigen zu dürfen.10, 17 |
Außerhalb des Friedhofes gab es nördlich der Mauer noch ein Grab. Die Globus-Werke wurden am 25. 4. 1945 von den anrückenden Amerikanern bombardiert und mit Artillerie beschossen. Dabei wurden zwei Ukrainer in ihren Unterkünften tödlich getroffen. Es handelte sich um Maly Nikolai, geb. 11.5.1924 in Pauwokischkas, Kr. Saporoschije, gest. 26.4.1945 Die beiden Getöteten wurden außerhalb des Friedhofes begraben und am 1. 2. 1961 nach Neumarkt in der Oberpfalz überführt9,16. Von diesem Grab ist heute nichts mehr zu sehen,
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Lage der Gräber außerhalb des Friedhofes10 1941 bis 1946 sind folgende Bewohner verzeichnet:
Hinweis: Haus Nr. 1 bis 36 = Oberhausen, Haus Nr. 37 = Höfelhof, Haus Nr. 38 = Beutmühle Abb. 8: Kreut unmittelbar vor der Absiedelung10 |
Schon 1952, also während der heißen Phase der Wiederbewaffnungsdebatte in Deutschland, wandte sich die Stadt Neuburg an die Dienststelle Blank und machte auf die vorhandenen Kasernen aufmerksam. Neuburg erlebte schwierige Zeiten und erhoffte sich von einer Stationierung einen wirtschaftlichen Aufschwung. Allerdings war man auch bestrebt, eine erneute und diesmal massive Belegung der Kasernen mit Flüchtlingen zu verhindern. Dieses Ansinnen war erfolglos, aber Neuburg kam so in den Kreis der Städte, die später für eine Stationierung von Bundeswehr-Truppenteilen in Frage kam.18
1954 wurde durch eine Kommission festgestellt, dass die Lassigny-Kaserne für eine moderne Armee ungeeignet ist und forderte einen Neubau.
Im Januar 1956 wurden die Absichten konkret und es begannen die Planungen für einen Kasernenneubau außerhalb der Stadt mit direktem Zugang zum Übungsplatz.
Die Verhandlungen über den Erwerb der erforderlichen Grundstücke waren äußerst schwierig. Letztlich war der Erfolg der Familie von Philipp zu verdanken, die den größten Teil des nötigen Grundes einbrachte, der überwiegend auf Oberhausener Gemarkung lag.19
1958 bis 1961 wurden alle Bewohner abgesiedelt.
Am 28. September 1959 bezog die Bundeswehr die Burgwaldkaserne und nutzte den angrenzenden Standortübungsplatz „Kreut“. Die Häuser wurden noch eine zeitlang durch die Bundeswehr zur Ausbildung im Häuserkampf genutzt und die letzten 1970 abgerissen. Abb. 9: Aus „Karte Serie M 745 L7332 Neuburg an der Donau, 1:50000“ ca. 1968 |
So fanden folgende Erhaltungsmaßnahmen statt:
1982/83 Renovierungen durch HSchBrig 56, InstKp 560, StOV Neuburg
1991 Instandsetzungen durch StOV Neuburg
2004/05 Renovierungen durch ehrenamtliche Helfer aus vielen umliegenden Gemeinden und aus zahlreichen Organisationen unter der Leitung von Gunter Weinrich
2007 waren auf den Grabsteinen noch folgende Familiennamen zu entziffern:
Müller |
Brand |
Dettweiler |
Gottschall |
Damm |
Scheib |
Rupp |
Pommer |
Oberhausen im Januar 2010
Anhang: Die Hofbesitzer von Kreut:10
Haus Nr. 39, Hausname „beim Nazi“ |
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bis 30.11.1811 |
Stegmeier Georg |
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30.11.1811 |
Stöckl Michael |
Kauf |
2800 fl. |
105,12 Tgw. |
21.06.1841 |
Zehetmeier Heinrich |
Kauf |
5300 fl. |
101,43 Tgw. |
07.02.1844 |
Schnell Johann Paul |
Kauf |
8200 fl. |
101,49 Tgw. |
26.04.1875 |
Schaib Jakob |
Kauf |
25000 fl. |
98,75 Tgw. |
26.02.1877 |
Schaib David |
20570 M |
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03.02.1880 |
Schaib Davids Kinder und Witwe Elisabeth |
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02.01.1893 |
Witwe Schaib Elisabeth |
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02.10.1914 |
Ritter v. Philipp Gustav Adolf und Schulz Friedrich |
Kauf |
150000 M |
24,15 ha |
28.12.1918 |
Dr. Hans und Fritz v. Philipp |
Überlassung |
110000 M |
35,61 ha |
05.06.1944 |
Ableben des Hans v. Philipp. Den ½ Anteil erwerben seine Witwe |
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15.12.1945 |
Hedwig v. Philipp, Generalkonsulin, Alleineigentum |
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Haus Nr. 40, Hausname „beim Gögl“ |
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bis 02.12.1823 |
Witwe des Peter Zach |
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01.12.1823 |
Maier Ignaz, Wirt und Brauer |
Kauf |
5100 fl. |
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13.01.1829 |
Krusius Richard |
Kauf |
1733 fl. |
46,22 Tgw. |
13.01.1842 |
Rupp Christian |
Kauf |
4460 fl. |
46,20 Tgw. |
24.08.1858 |
dessen Söhne Rupp Heinrich und Christian |
13408 fl. |
57,65 Tgw. |
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Teilung |
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16.05.1860 |
Rupp Christian |
6500 fl. |
27,12 Tgw. |
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24.10.1901 |
Becker Georg |
Kauf |
25000 M |
10,98 ha |
30.11.1901 |
Ritter v. Philipp Gustav Adolf und Schulz Friedrich |
Kauf |
18000 M |
10,98 ha |
02.10.1914 |
weiter wie Haus Nr. 39 |
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Haus Nr. 40b (40 ½) |
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16.05.1860 |
Rupp Heinrich |
6908 fl. |
30,53 Tgw. |
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22.07.1887 |
nach Ableben an Tochter Rupp Katharina und Bräutigam Moser Friedrich |
Übergabe |
9000 M |
9,54 ha |
28.04.1893 |
Trinkler Friedrich |
Kauf |
24000 M |
9,54 ha |
05.09.1895 |
Trinkler Christiane, Witwe |
|||
05.03.1898 |
Trinkler Max, Sohn |
Kauf |
20000 M |
10,19 ha |
01.03.1899 |
Mason Charles, Kaufmann in Streatham bei London |
Kauf |
130000 M |
10,19 ha |
ab ? |
Esterhammer Jakob |
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Haus Nr. 41, Hausname „beim Koppelbauer“ |
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bis 31.12.1816 |
Reiser Paul |
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31.12.1816 |
Degmayer Michael |
Kauf |
2000 fl. |
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14.08.1832 |
Gottschall Johann |
Kauf |
1985 fl. |
56,90 Tgw. |
13.12.1845 |
Gottschall Adam |
2300 fl. |
29,22 Tgw. |
|
19.03.1856 |
Noll Valentin . |
Kauf |
5075 fl. |
29,22 Tgw |
19.08.1858 |
Müller Jakob |
Kauf |
5600 fl. |
27,87 Tgw. |
29.08.1868 |
Müller Elisabeth und Bräutigam Müller Johann |
6100 fl. |
29,22 Tgw. |
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23.08.1893 |
Vereinigte Neuburger Kreidewerke Schulz und v. Philipp |
Kauf |
25000 M |
10,38 ha |
?02.10.1914 |
weiter wie Haus Nr. 39 |
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Haus Nr. 41 1/2 |
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bis 20.12.1843 |
wie Haus Nr. 41 |
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20.12.1843 |
Gottschall Friedrich übernimmt von Vater Johann Gottschall |
2500 fl. |
27,02 Tgw. |
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28.06.1881 |
Sohn Friedrich Gottschall |
Kauf |
2000 M |
12 ha |
02.10.1914 |
weiter wie Haus Nr. 39 |
Anmerkungen:
- Csysz, Dietz, Fischer, Kellner: Die Römer in Bayern, Stuttgart 1995, S. 368
- Michael Eckstein: Neuburger Kollaktaneenblatt 115, Neuburg 1962, S. 19
- Georg Habermayr, Unterhausen, Sammlung
- Wilhelm Kraft: Das Urbar der Reichsmarschälle von Pappenheim, München 1929, Neudruck 1974, Seite 112
- Markus Nadler: Historischer Atlas von Bayern, Neuburg an der Donau, München 2004, S. 24
- Carl Bohaimb: Neuburger Kollaktaneenblatt 18, Neuburg 1852, S. 112
- fl. = Gulden
- Markus Nadler: Historischer Atlas von Bayern, Neuburg an der Donau, München 2004, S. 336 f
- W.F. Rupp: Verzeichnis aller zum Ober-Donau-Kreis gehörigen Städte, Märkte, Dörfer, Weiler und Einöden, 1818
- Ludwig Ried, Sinning, Sammlung
- Königl. Bayer. Statistisches Bureau: Vollständiges Ortschaften-Verzeichnis des Königreiches Bayern, Stand 1.Dez.1875, München 1877
- v. Grübel: Orts-Lexikon des Königreiches Bayern, Ansbach 1880
- Staatsarchiv Neuburg, Akt 4480 (jetzt im Staatsarchiv Augsburg)
- www.jeyes.de
- Otto Hausmann: Alt-Neuburg, Band 6, 1994, S. 46
- Gemeindearchiv Oberhausen, A, Akte 294
- Horst Schwark: Donaugeschichten zwischen Neuburg und Ingolstadt, S. 65 ff
- Stadtarchiv Neuburg, Stadtratssitzung vom 15.12.1952
- Stadtarchiv Neuburg, Stadtratssitzung vom 27.11.1956
- Sterbeurkunden Standesamt Oberhausen RegNr. 2 und 3 von 1944