Zusammengestellt von Monika Holzmayr
Vom Teufel geholt (Kreut, abgegangen):
In Kreut hats auch so viel gespukt, hat immer mein Vater gesagt. Die Häuser stehen aber nimmer. Es war ein Weiler mit drei großen Höfen. `s Militär hats wegputzt; ist ein Schießplatz heut. Da war einer, der war krank. Keiner hat von dem was wissen wollen. Dem habens das Essen mit dem Aufzug nauf. Und auf einmal ist das Essen nimmer abgenommen worden; und dann war er nimmer da. Da haben die Leut gesagt: „Den hat der Teufel stücklweis geholt!“
(Emmi Böck: Sagen aus dem Neuburg-Schrobenhauser Land, Nr. 168)
Die Alte Burg:
Auf der Alten Burg bei Neuburg hausten vorzeiten Grafen von Altenburg. Sie lebten in Saus und Braus von der Beraubung der am Fuß ihrer Burg vorübersegelnden Schiffe. Das trieben sie lange fort und häuften unermeßliche Schätze im Schoß des Berges, auf dem die Burg stand. Endlich machte der Kaiser dem Raubunfug ein Ende, ließ die Feste zerstören und die im Berg bewahrten Reichtümer heben. Wie es aber in der Verwirrung geht, das Beste wurde übersehen - eine Kiste voll gediegenem Gold, die im Innern des Burgberges zurückblieb. Dieser Schatz ist bis auf den heutigen Tag nicht gehoben, weil er von einem schwarzen Hund mit feurigen Augen bewacht wird.
(Emmi Böck: Sagen aus dem Neuburg-Schrobenhauser Land, Nr. 201)
Die Rote Säule (Sinning):
Zwischen Unterhausen und Sinning steht die Rote Säule. Da ist ein Hirsch mit dem Kreuz zwischen dem Geweih und ein Jäger draufgemalt. Die Leute haben sich früher erzählt, daß da im Wald zwischen Sinning und Unterhausen ein Hirsch umeinanderlauft, der zwischen dem Geweih ein goldenes Kreuz trägt. Ein Jäger hat das nicht glauben wollen. Dann ist er nachts auf die Jagd gegangen, und plötzlich ist ein Hirsch vor ihm gestanden. Er hat draufgeschossen: der Hirsch ist aber nicht tot umgefallen. Da hat sich der Jäger hingekniet und ist gläubig geworden.
(Emmi Böck: Sagen aus dem Neuburg-Schrobenhauser Land, Nr. 277)
Bild: Die Rote Säule
Der Teufelstritt (Sinning):
In der Kirche St.Nikolaus in Sinning war einmal der Teufel. Da hat der Pfarrer Weihwasser auf ihn gespritzt, und vor lauter Wut - weil ja der Teufel kein Weihwasser vertragen kann - hat er auf den Boden gestampft und im Stein seinen Abdruck hinterlassen.
(Emmi Böck: Sagen aus dem Neuburg-Schrobenhauser Land, Nr. 276)
Die drei Riesenbrüder (St. Wolfgang):
I
Zwischen Pöttmes und Neuburg liegen drei hohe Berge, die höchsten der Gegend: Der eine ist St.Wolfgang bei Sinning, der zweite ist St.Othmar bei Walda, und der dritte ist der Beinberg bei Schrobenhausen. Jede von diesen Anhöhen ist jetzt mit einem weit ins Land schauenden Kirchlein gekrönt. Früher standen da drei Burgen, die von Riesen bewohnt waren, die sich gegenseitig eiserne Keulen zuwarfen.
II
Vor langer Zeit lebten einmal drei Riesenbrüder mit Namen Leonhard, Othmar und Wolfgang, von denen jeder eine Kirche für seinen Namenspatron bauen wollte. Sie trafen sich dazu auf dem heutigen Wolfgangsberg bei Sinning zu einem Steinwerfen, wobei sie vereinbarten, dass die Kirchen da gebaut werden sollten, wo die Steine hinfallen würden. Der erste Riese, Leonhard, schleuderte seinen Stein an die Stelle der heutigen Wallfahrtskirche Inchenhofen, wo er die St.-Leonhards- Kirche erbaute. Der zweite, Othmar, traf einen Hügel bei Walda, wo die St.-Othmars-Kirche entstand. Der dritte Riese, Wolfgang, wollte besonders weit werfen. Aber beim Ausholen fiel ihm der Stein hinterrücks aus der Hand, und so baute er seine St.-Wolfgangs-Kirche an Ort und Stelle.
III
III
In unserem Gebiet sollen einst drei Brüder gelebt haben, von denen sich jeder an einem anderen Ort eine Zelle erbaute, doch so, daß einer den anderen sehen konnte. Es heißt, eine Zelle sei auf dem Kastlberg (in der Holledau), die zweite nach St. Wolfgang bei Sinning und die dritte nach St. Salvator bei Mainburg zu stehen gekommen.
(Emmi Böck: Sagen aus dem Neuburg-Schrobenhauser Land, Nr. 289)
Anmerkung: Der Berg mit der St.Othmarkirche befindet sich nicht bei Walda, sondern im Südosten von Pöttmes links der Straße nach Aichach.
Bild: St. Wolfgang
Die Sage von der Kaiserburg (Unterhausen):
Von der Kaiserburg her führte durch Unterhausen eine Straße nach einer gegenüberliegenden Höhe, die nur so breit gewesen sein soll, dass auf ihr die drei Fräulein, die letzten Nachkommen des Geschlechts der Kaiserburg, nebeneinander gehen konnten. Wie die Sage weiter meldet, sei auf der Höhe eine Kirche gestanden, wohin die drei Fräulein gewöhnlich wallfahrteten. Dieser Berg kommt später unter dem Namen Arrach vor. Die Bauern nennen ihn jedoch den Ulrichsberg, nach einer Kapelle, die hier gestanden sein soll.
Bei näherer Besichtigung des Berges findet man oben auf seiner Spitze wirklich noch das Grundmauerwerk eines Gebäudes und einen Graben, welcher den Berg umgibt.
(Aufgezeichnet von Graßegger, Neuburg 1818, Neuburger Kollektaneenblatt Nr. 30)
oder
Die drei Fräulein zu Unterhausen:
Nicht weit von Unterhausen bei Neuburg a.d. Donau sind die Ruinen der sogenannten Kaiserburg. Von dieser Burg soll eine Straße durch das Dorf Unterhausen nach dem nahe gelegenen St.-Ulrichs- Berg geführt haben, die nur so breit war, dass drei Fräulein, die letzten Sprosse der auf der Kaiserburg lebenden Familie, gerade nebeneinander darauf gehen konnten, wenn sie zur St.-Ulrichs- Kapelle wallfahrteten. Diese drei Fräulein schenkten der Gemeinde Unterhausen einen nahen Wald.
(Emmi Böck: Sagen aus dem Neuburg-Schrobenhauser Land, Nr. 293)
Die Sage von der Ulrichskapelle (Unterhausen):
Im 30 - jährigen Krieg hausten die Schweden schrecklich in unserer Gegend. Sie machten auch vor der Ulrichskapelle nicht Halt. Ein schwedischer Soldat raubte die Glocke vom Turm der Kapelle und wollte sie mitnehmen. Dabei versank er mitsamt der Glocke im sumpfigen Gelände am Fuße des Ulrichsberges.
(Erzählt von Michael Burzler, Bahnhofstr. 44 am 2.Juni 1982)
oder
De Glockn vo da Ulrichskabejn oder Vasuffa im „EJLA“ drunt (Unterhausen):
De Glockn vo da Ulrichskabejn soj a schwedischer Soldat gschdoin ham. Und weis (= weil sie) so schwaar war, isa mitsamt da Glockn im Sumpf, im „Ejla“ (= Erlein) drunt, vasuffa.
(Emmi Böck: Sagen aus dem Neuburg-Schrobenhauser Land, Nr. 294)
Die Latour – Sage (Unterhausen):
Nach vielen Jahren des Geschehens bildete sich durch Nachfragen und ausgesprochene Vermutungen bei den Bewohnern der beiden Dörfer und der Umgegend eine Sage, nach welcher Latour zu Pferd allein, langsam durch das von seinen Bewohnern verlassene Unterhausen, in einer Papierrolle lesend, dahergekommen wäre.
Ihm habe ein kaiserlicher Ulaner der durch den Ochsenweg herritt, hinter dem Schulhause aufgelauert. Nachdem Latour an ihm vorüber war, habe ihn der Ulane sogleich attaquiert, über Latour aber nichts vermocht. Als der Ulane Franzosen nachkommen sah, wollte er fliehen, habe aber den fortkämpfenden Latour umritten, ihm rücklings auf die Schulterplatte einen tödlichen Lanzenstich beigebracht, Latour mit seiner Lanze aus dem Sattel gehoben und zu Boden geworfen. Er sei dann, verfolgt von Latours 12 berittenen Grenadieren auf seinem Eisenschimmel über eine Hecke setzend, Oberhausen zu gesprengt, und da in diesem Dorfe auf ihn geschossen wurde, durch den Ortsswald nach dem Höfelhofe, dann über die Kräuterfalter nach Sehensand gekommen, wo österreichisches und bayerisches Militär stand, ohne von einem der ihm nachsetzenden Reiter eingeholt zu werden.
Die Verwundung sei bei einem zwischen Unter- und Oberhausen stehenden Birnbaum geschehen. Latour sei dann von seinen Kameraden nach aufgelegtem Verbande zuerst in die Unterhauser Dorfschmiede, dann in das Revierförsterhaus gebracht und in eine Bettstätte gelegt worden. In diesem Hause sollen nur zwei kleine Töchterchen, Maria und Josepha, dagewesen sein, während sonst alles auf der Flucht war.
Latours Verwundung soll bei Freund und Feind lebhafteste Teilnahme erregt haben, ja der kaiserliche Oberst soll über seinen Ulanen so aufgebracht gewesen sein, daß ihm nur durch Vermittlung der Offiziere kein Leid geschah. Der tapfere, verwundete Krieger sei bis zu seinem Tode - in der kommenden Nacht um 11 Uhr erfolgt - mit der größten Auszeichnung behandelt worden. Er sei im 56. Lebensjahre verschieden.
Sein Sterbelager sollen nicht nur Franzosen, sondern auch bayerische Offiziere umstanden haben.
Sein letzter Wunsch sei gewesen, neben seinem Chef Forty begraben zu werden.
Diese, durch kühne Phantasie ausgeschmückte Sage, die Widersprüche und Unrichtigkeiten enthält, nahm ein Geschichtsfreund und Mitglied des historischen Vereins Mittelfranken, des königlichen Appelationsgerichts Kanzillist in Neuburg, Harr Petrazze durch Zeugen auf, wurde aber getäuscht, indem er auf diese Weise nicht der Zeugen Erlebnisse, sondern die später gebildete Sage, für welche sie allerdings Zeugen waren, erfuhr.
Derselbe Herr will bei dieser Gelegenheit auch in den Besitz der Bettstätte, worin Latour starb, durch Kauf gekommen sein - am 27.Juni 1852.
Nach den, unserem historischen Filialvereine übergebenen, desfalsigen Originalzeugen - Aussagen und anderen Mitteilungen trägt die Bettstätte auf einer Metalltafel die nachstehende Inschrift:
"Latour d'Auvergne, premier Grenadier de France etant tue'd'un coup de lance dans Affaire a 'Unterhausen expira dans cettecouche l'an lancier Autrichen, qu'il fut perce de derriere, et quil expira la vie si chere a sa patrie"
(Gunter Partzsch, Ludwig Ried: Heimatkundliche Stoffsammlung Oberhausen, Unterhausen, Sinning, Seite 70)
Bild: Denkmal des Latour d'Auvergne bei Oberhausen
Dem Wirt von Leidling sein Holz oder Um drei Laib Brot (Oberhausen):
Die B 16 war früher Heerstraße. Da sind die ganzen Aufmärsche und Heerzüge über diese Straß gangen. Und weil die Soldaten oft keinen Troß (= der die Truppe mit Verpflegung u.a. versorgende Wagenpark) dabeigehabt haben, haben sie die Leut und das Land ausgeraubt und haben ihnen alles weggefressen. Damit er nicht hat verhungern müssen, hat einer aus Oberhausen einem Bauern von Leidling – dem Wirt – das Holz (=Wald) verkauft um drei Laib Brot! Das muß schon 1700 gewesen sein.
(Emmi Böck: Sagen aus dem Neuburg-Schrobenhauser Land, Nr. 224)
Das Massengrab oder „Nur da Gregori“ (Sinning):
Da ist von den Napoleonischen Kriegen ein Massengrab drüben in Dezenacker. Und da ist nie ein Gaul drüber gegangen; die haben gescheut. Und dann – ackern hat mans ja nicht können, weil ja kein Gaul drüber gegangen ist – habens jetzt eine Kapelle draufgebaut. Die steht heute noch. Die alt Nuberin in Sinning, die war Dirn bei einem Bauern in Dezenacker, und der hat ihr das verzählt. Der hats halt auch von den Alten „gwißt“. Mir selber hat das der Bankangestellte Fürst verzählt; der kommt überall in die Orte hin, und da hört er viel.
(Emmi Böck: Sagen aus dem Neuburg-Schrobenhauser Land, Nr. 53 I)
Der Teufel und der Fährmann (Unterhausen):
Am Fuß des westlichen Abhanges des Antoniberges, genau an der Einmündung der Ussel in die Donau, befindet sich eine kleine Höhle, nur wenig Meter tief mit sitzartigen Mulden und feuergeschwärzten Wänden.
Ursprünglich diente die Höhle dem Fährmann Anton Riedl, der im Januar 1985 neunzigjährig gestorben ist, als Regenschutz. Bis 1952 ging eine einfache Kahnfähre über den Fluss, die dort etwa seit dem Jahr 1285 bestand, und mit der sich hauptsächlich Landwirte aus Stepperg, Arbeiter der ehemaligen Wifo (IVG) und Bahnreisende zum Bahnhof Unterhausen in die jenseits der Donau liegende Stepperger Aue übersetzen ließen.
Als ich 1995 Frau Franziska Baumgärtner, die in der ehemaligen Klause auf dem Antoniberg geboren ist und dort ihre Jugend verbrachte, nach Sagen befragte, erzählte sie mir folgende Geschichte, die sie als junges Mädchen von ihrer Oma Frau Theresia Fischer gehört hatte:
Im Halbdunkel einer Mondnacht hörte ihr Opa, Florian Fischer, der auch zeitweise als Fährmann ausgeholfen hat, vom jenseitigen Donauufer „Hol-über-Rufe“. Also setzte er seine Zille in Bewegung, um den späten Fahrgast überzuholen. Doch auf der Rückfahrt von der Unterhausener Seite wurde die Fähre immer langsamer, blieb in der Strommitte stehen und drohte zu sinken. Da plötzlich entdeckte der Fährmann im Mondlicht bei seinem Fahrgast einen Geißfuß. Es war der Teufel selbst, der bei ihm mitfuhr. In seiner großen Not betete er inbrünstig zum Hl. Antonius und zum Hl. Nepomuk um Hilfe, und plötzlich war der unheimliche Fahrgast verschwunden und die Fähre fuhr wie von selbst zum Ufer zurück.
(Horst Schwark: Donaugeschichten zwischen Neuburg und Ingolstadt)
Die Johannisnacht:
Hans Frischauf, ein Schneider von Oberhausen, ging am St. Johannistag, um einige Geschäfte zu besorgen, nach Neuburg, und da gerade auch sein Namenstag war, so wollte er sich daselbst etwas gütlich tun. Nachdem er seine Verrichtungen gemacht, begab er sich in den Schatten der Glocke, d. i. in das am äußersten Ende der Stadt an der Donauwörtherstraße stehende Wirtshaus.
Die Hitze war groß, der Durst nicht klein und so schlüpfte eine Halbe nach der anderen in den Schneider hinein, bis er am Ende ganz toll und voll wurde.
Ums Gebetläuten schickte er sich zum Nachhausegehen an. Allein das Heimwärts(gehen) wollte nicht recht von statten gehen. Kopf und Füße schienen verschiedener Meinung zu sein. Wenn die einen dahin wollten, wollte der andere dorthin. Hiedurch ging nun die gerade Richtung seines Ganges gänzlich verloren. Im Zickzack taumelte er von einem Straßenend zum anderen und war alle Augenblick in Gefahr das Gleichgewicht zu verlieren. So schleppte er sich langsam und mühselig bis zum Anfang des Burgholzes fort. Hier aber erreichte seine beschwerliche Wanderschaft mit einem male ihre Endschaft. Er glitt aus und fiel in den Straßengraben. Unfähig wieder aufzustehen blieb er da tale quale liegen und sank sogleich in einen festen Schlaf.
Es mochte um Mitternacht sein, als unser Schneider erwachte. Am westlichen Himmel standen schwere Gewitterwolken, aus denen es stark blitzte. Die Gegend war schwach durch des Mondes Sichel erleuchtet.
Der Schneider, der nun seinen Rausch so ziemlich ausgeschlafen hatte, richtete sich auf, um seinen Weg fortzusetzen. Da hörte er plötzlich den Hufschlag eines Pferdes und ein schwarzer Reiter kam auf der Straße den Berg herauf, hielt ober der Wolfsgrube, sprang vom Pferd, indem er demselben den Zaum über den Kopf warf, und verlor sich im Gebüsch. Das Pferd blieb ganz frei auf der Straße stehen, ohne von der ihm rechts und links dargebotenen Weide etwas zu genießen. Wie eine Wache sah es sich nach allen Seiten um, spitzte die Ohren, ob es kein Geräusch vernähme.
Der Schneider durch die Erscheinung des Reiters in Furcht und Schrecken versetzt, hatte sich in das nahe Dickicht gezogen und hielt sich da stille und verborgen, bis der schwarze Mann abgestiegen und seinen Augen entschwunden war.
Nun wagte er sich aus seinem Versteck und gedachte, seinen Weg weiter zu verfolgen. Schüchtern, jedoch auch etwas neugierig, zu erfahren, was dies doch für ein Pferd und Reiter sein müsste, nahte er sich demselben, das noch immer spähend auf der Lauer stand. Kaum aber hatte ihn die vierfüßige Wache erblickt, als sie auf eine solch durchdringende Art zu wiehern anfing, dass es weit umher in der Stille der Nacht durch den Wald hallte. Der Schneider, dem es ganz unheimlich ward und sich jetzt sehnlichst wünschte, mit heiler Haut nach Hause zu kommen, wollte dem Anschein nach ganz gleichgültig an dem Pferde vorüberzugehen. Allein dieses begann auf noch durchdringendere Weise wie das erste Mal zu wiehern und ließ durchaus den Schneider nicht vorbei passieren. Dieser suchte in das Dickicht zu entfliehen. Das Pferd stand vor ihm, ehe er dasselbe erreichte und trieb ihn wieder auf die Straße. Da rauschte es auf der entgegengesetzten Seite im Gebüsche und heraus trat der schwarze Mann, wie ein Ritter im ganz schwarzen Harnische, ohne Feder und Binde noch anderen Zierrat. Ohne ein Wort zu sagen packte er den Schneider, setzte ihn aufs Pferd, schwang sich selbst darauf und gab dem Pferd die Sporen. Dieses bäumte sich, griff mit den beiden Forderfüßen wie zu einem gewaltigen Sprung aus. Kam aber nicht auf den Boden, sondern stieg mit seiner Last wie ein Luftballon in die Höhe, seine Füße gleich rudern bewegend. Über Wald und Flur, über Berg und Tal ging es mit Sturmes Eile, während rechts und links Blitze zuckten und fürchterlich unter ihnen der Donner rollte.
Der Schneider, halb tot in den Armen des schwarzen Reiters liegend, kam nicht eher wieder zu sich, als bis nach einer Luftfahrt von einer halben Stunde sich das Pferd mit seinem Reiter wieder herabsenkte und außerhalb des Grabens einer auf einem Felsberge liegenden Burg stehen blieb. Es gab wieder einen Laut von sich und es ging die Zugbrücke und das Tor auf, durch welches der Ritter mit dem Schneider in die Burg sprengte.
Die Gewitterwolken hatten sich indessen zerteilt, Hof und Gemäuer der alten Veste standen vom schwachen Mondlicht erhellt. Aus dem tiefen Schatten, den die Gebäude warfen, glänzte da und dort im Glühwurmlicht bald ein volles, bald ein halbes Gesicht mit feuerroten Augen hervor. Vor dem Tor des Hauptgebäudes hielt der Ritter, stieg vom Pferd und hob auch den Schneider herab. Das Pferd überließ er sich selbst, das, seiner Bürde entledigt, davon sprang und sich im Dunkel verlor.
Der Ritter klopfte an die Türe. Sie wurde aufgetan und dem Blicke öffnete sich eine weite, gewölbte Halle, in deren Mitte eine halbrunde, mit schwarzem Tuche überzogene Tafel stand. 15 Ritter in voller Rüstung mit geschlossenem Visier saßen herum. Vor ihnen brannten auf sonderbar gestalteten Leuchtern mehrere Lichter. Hinter ihnen, längs den beiden Seitenwänden standen eine reihe Knappen mit Turmhauben und Brustharnischen und leichenbleichen Gesichtern. Alles war unbeweglich und still. Der Ritter trat ein und stellte den am ganzen Leib zitternden Schneider in den Halbkreis der Tafel.
"Edle Ritter", fing er mit hohler Stimme die herrschende Stille zu unterbrechen an. "Ihr wisst, dass alle 100 Jahre mir, wenn der Tag seine höchste Stufe erreicht, vergönnt ist, meine Tochter auf meinem ehemaligen Sitze der alten Burg zu besuchen. Die war, während ich überfallen und in Gefangenschaft hierher geschleppt wurde, wo ich auch starb, abwesend und hat daher ihren Vater, so wie der Vater sie, nicht mehr gesehen. Ihr wisst, dass an diese Erlaubnis die Bedingung gebunden ist, dass kein lebendes Wesen in der Nähe sein darf. In welchem Falle ich , ohne meine Besuch gemacht zu haben, wieder in den Ort meiner Gefangenschaft zurückkehren muss. Zum vierten Mal hab ich diesen Weg schon vergeblich zurückgelegt. Um nun Furcht und eine gerechte Scheu vor dieser Nacht und dieser Stund unter den Sterblichen zu verbreiten, habe ich diesen Störer meines schon so lange gehegten Verlangens mit mir hierher genommen und stelle ihn nun vor Gericht!" Der in der Mitte sitzende Richter fragte nun um die Ursache, welche ihn um Mitternacht auf die Straße geführt habe, wo er dem Pferd des Ritters begegnete. Dieser erzählte stotternd und verwirrt den Hergang dieses Zusammentreffens, schützte seine Unwissenheit vor und bat die edlen und festen Ritter mit dem Versprechen um Nachsicht und Verzeihung, dass er nie mehr so spät nach Hause gehen, noch sich einen Rausch antrinken wolle.
Der Oberrichter winkte, zwei Knappen traten hervor, ergriffen den Schneider bei den Armen und führten ihn in ein, im nebenstehenden Turm befindliches enges Gemach. Ganz matt und erschöpft von dem ausgestandenen Schrecken und der Furcht, was kommen solle, setzte er sich auf die an der Wand angebrachte steinerne Bank und es dauerte nicht lange, so schlief er ein.
Als er erwachte, war es um ihn her hell und luftig. Er rieb sich die Augen, sah um sich herum. Da war weder Burg noch Turm mehr. Er saß auf einem Haufen Steine einer alten Burg unweit Augsburg.
(Aus der Sammlung von Johann Bendikt Graßegger und von ihm aufgeschrieben.
Quelle und Lagerort: Historischer Verein Neuburg)
Hinweis von Herrn Ludwig Ried: Der genannte Name ist in den Pfarrmatrikeln von Oberhausen nicht zu finden!